Anmerkungen
Mannheim
28.10.1938
Ein jüngerer Mann wird stereotypisierend portraitiert. Er blickt in die Kamera und schürzt die Lippen. Streckt er dem Fotografen die Zunge im geschlossenen Mund heraus? Hinter ihm steht ein weiterer Mann. Im Artikel ist das Bild mit “Bitter Cohn, sehr bitter” untertitelt. Hieß der Mann so, oder wurde ihm ein jüdisch klingender Name zugeschrieben?
Anmerkungen
Schlagworte
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Das Verfolgungsereignis
Deportation von Mannheim nach Zbąszyń am 28.10.1938
Im Oktober 1938 wurden 17.000 polnische Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich ausgewiesen. Viele hatten seit Jahrzehnten in Deutschland gelebt oder waren dort geboren worden, hatten jedoch nie einen deutschen Pass erhalten. Den Befehl für diese erste zentral organisierte Massenausweisung gab Heinrich Himmler; die Koordination lag bei den Landesministerien des Innern. Vor Ort kooperierten lokale Polizei- und Finanzbehörden mit der Reichsbahn. Die sogenannte Polenaktion gilt heute als Auftakt für die Vernichtung der Jüdinnen und Juden.
In Mannheim verhafteten Kripo und Gestapo ab dem 27. Oktober 1938 75 Männer und brachten diese in das Schlossgefängnis. Dort wurden sie registriert, durchsucht und am späten Nachmittag des 28. Oktober mit Polizei-Mannschaftswagen zum Hauptbahnhof gebracht. Auf dem Weg hatten sich Angehörige gesammelt, um Abschied zu nehmen.
Im Bahnhof standen bereits zwei Waggons, in denen sich Juden aus Karlsruhe befanden. Für die Mannheimer wurde ein Zug aus Ludwigshafen bereitgestellt, an den diese Waggons gekoppelt wurden.
Über die Bildserie
Am 29. Oktober 1938 veröffentlichte die NS-Zeitung „Der Hakenkreuzbanner “ unter dem Titel “Der Dade nimmt Abschied von Mannem” drei schwarz-weiße Fotos in einem antisemitischen Bericht über die Deportation.
Die Portraitaufnahmen zeigen drei unterschiedlich alte jüdische Männer, die im Hof des Schlossgefängnisses von Mannheim stehen.
Vom Bildberichterstatter Jütte begleitet, wurden die Männer kurz nach der Aufnahme zum Hauptbahnhof gebracht. Von dort wurden sie mit einem Sonderzug nach Zbąszyń verschleppt.
Fotograf:in
Hans Jütte, Bildberichterstatter
Nachdem sein Unternehmen insolvent gegangen war, konzentrierte sich der in Hagen geborene Hans Jütte auf seine journalistische Karriere. Seit 1935 arbeitete er für den Hakenkreuzbanner. Jütte fotografierte mit einer Leica lokale Ereignisse. Seine Aufnahmen sind in zahlreichen Ausgaben des NS-Blattes zu finden.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde Jütte u. a. in einer Propagandakompanie der Luftwaffe eingesetzt. 1948 nahm er seine journalistische Tätigkeit bei der "Rheinpfalz" in Ludwigshafen wieder auf und war er bis zu seiner Pensionierung 1967 Lokalredakteur.
Hans Jütte starb 1984 in Bad Dürkheim.
Überlieferung
Die Fotos wurden am 29. Oktober 1938 in der Frühausgabe des “Hakenkreuzbanner. NS-Tageszeitung für Mannheim und Nordbaden” abgedruckt. Das war zu diesem Zeitpunkt die größte regionale Tageszeitung und hatte eine Auflage von gut 50.000 Exemplaren. Die Ausgabe des „Hakenkreuzbanners “ ist im Marchivum in Mannheim überliefert und von dieser Institution auch in das Deutsche Zeitungsportal eingestellt worden.
Im Nachlass des Fotografen Hans Jütte im Marchivum befinden sich keine weiteren Unterlagen und auch keine weiteren Fotos zu dem Bericht. Ein Teil des Nachlasses wurde Anfang der 1980er Jahr über einen Militariahändler verkauft. Möglicherweise waren die Originalabzüge Teil der Verkaufsmasse. Eventuell hat Jütte weitere Aufnahmen während der Deportation angefertigt, diese sind nicht überliefert.
Signatur bei der besitzenden Entität:
Ohne Signatur
Bezeichnung des Bildes bei der besitzenden Entität:
“Bitter Cohn, sehr bitter”
Danksagung
Die Erschließung der Fotos basiert auf Recherchen des Studienrats Volker Keller, der seit Jahrzehnten zur jüdischen Geschichte Mannheims forscht und publiziert.
Vor Ort hat Karen Strobel die Recherchen unterstützt.
Text und Recherche: Christoph Kreutzmüller.
Kooperationsverbund #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen Dr. Alina Bothe Projektleiterin
c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de
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