Anmerkungen
Hanau
30.05.1942
Auf dem vor dem Hanauer Hauptbahnhof nehmen jüdische Verfolgte ihr Gepäck vom Boden auf. Es ist mit den Namen und Kennkartennummern der Besitzenden beschriftet. Links stehen Polizisten und Gendarmen und unterhalten sich. Rechts im Hintergrund sind Gefreite der Wehrmacht und zuschauende Kinder vermutlich zufällig vor Ort.
Anmerkungen
Personen
6
Schlagworte
3
Das Verfolgungsereignis
Deportation von Hanau nach Majdanek und Sobibor am 30. Mai 1942
Am Morgen des 30. Mai 1942 holte die Ordnungspolizei 86 Menschen aus dem Stadt- und Landkreis Hanau in ihren Wohnungen ab und brachte sie zum Hanauer Hauptbahnhof. Dort mussten sie vier Personenwaggons besteigen, die an Bahnsteig 2 bereitgestellt wurden. Der Zug fuhr über Schlüchtern, Bebra und Fulda nach Kassel. Bei der Ankunft am späten Abend erwarteten Beamte der Ordnungs- und Sicherheitspolizei die Verfolgten und trieben sie in das Sammellager in der Turnhalle der Kasseler Bürgerschulen, wo eine erniedrigende Leibesvisitation erfolgte. Die Deportation aus dem Regierungsbezirk Kassel betraf insgesamt 508 Jüdinnen und Juden unter 65 Jahren. Nach zwei Nächten wurden sie in einen Zug in Richtung Polen gezwungen, an den in Chemnitz weitere Waggons mit Verfolgten angekoppelt wurden. Nach zwei Tagen Fahrt wurden in Lublin 98 Männer zwischen 15 und 50 Jahren zur Zwangsarbeit im KZ Majdanek selektiert. Die übrigen Deportierten verschleppte die Gestapo weiter nach Sobibor, wo sie direkt nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet wurden. Der einzige Überlebende der Deportation war Robert Eisenstädt, dem die Flucht aus Majdanek gelang.
Quellen
Über die Bildserie
Die am 30. Mai 1942 am Hanauer Hauptbahnhof und dem Bahnhofsvorplatz aufgenommene Serie besteht aus 19 Bildern und dokumentiert die Deportation der Jüdinnen und Juden aus dem Stadt- und Landkreis Hanau. Sie wurde vom Stadtfotografen und Leiter der Hanauer Bildstelle Franz Weber aufgenommen, der die Kleinbildnegative selbst archivierte. Diese liegen auf 6 Streifen (A-F) vor. In der Nachkriegszeit wurden Kontaktabzüge angefertigt, auf Karteikarten geklebt und beschriftet. Sie zeigen die Verfolgten beim Warten vor dem Bahnhof, das Besteigen und die Abfahrt des Zuges nach Kassel an Bahnsteig 2 (heute: Gleis 9).
Fotograf:in
Franz Weber, Fotoarchivar
Der am 24. April 1898 geborene Franz Weber war Hanauer Volksschullehrer und fotografischer Autodidakt. Er fotografierte leidenschaftlich und als er 1934 von den NS-Behörden beauftragt wurde, eine Stadtbildstelle einzurichten, war seine private Sammlung bereits sehr groß. Er avancierte zum Stadtfotografen und fertigte neben der Leitung der Bildstelle und seiner Stellung als Lehrer offizielle Fotografien an, so auch von der Deportation der Jüdinnen und Juden am 30. Mai 1942. Weber war Parteimitglied der NSDAP. 1967 wurde er pensioniert. Er starb am 19. Februar 1984. Die Bildstelle existiert bis heute und bewahrt seinen Nachlass auf. Franz Webers Sohn, Gerhard, sagte später in der Frankfurter Rundschau über ihn: „Ihm war immer nur das Fotografieren wichtig, über Konsequenzen hat er nie nachgedacht.“
Überlieferung
Franz Weber, der Fotograf der Serie, war Leiter der 1934 eingerichteten Bildstelle Hanau. Dort wurden die 19 Negative von ihm selbst archiviert und entwickelt. Eine Abbildung aus der Serie, die die Familie Gernsheimer beim Einstieg in den Zug zeigt, ist zudem im United States Holocaust Memorial Museum überliefert. Der Überlebende Simon Strauss erhielt den Abzug 1945 laut eigenen Angaben von der US-amerikanischen Militärverwaltung in Deutschland und beschriftete ihn mit dem Namen seines Onkels Ludwig Gernsheimer. Er zeigte ihn auch während zweier auf Video aufgenommener Zeitzeugeninterviews, die sich heute im Bestand des Visual History Archive befinden. Ein weiterer Abzug wurde 1960 der Familie des Überlebenden Robert Eisenstädt von einer anonym bleibenden Hanauer Familie gegeben, auf dem Bild sind Henriette und Martha Eisenstädt zu sehen, Robert Eisenstädts Mutter und Schwester.
Signatur bei der besitzenden Entität:
MZHU0097 C06
Bezeichnung des Bildes bei der besitzenden Entität:
Abtransport der Juden nach Kassel 1942
Danksagung
Grundlegende Forschungen zu den Deportationen aus Hessen leistete Monica Kingreen. Wir danken Sabine Salfer für die zusätzlichen Informationen.
Text und Recherche: Lisa Paduch.
Kooperationsverbund #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen Dr. Alina Bothe Projektleiterin
c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de
Ein Kooperationsprojekt von

Gefördert durch

Datenschutz | Impressum