Anmerkungen
Coesfeld
10.12.1941
Kurz vor ihrem Abtransport per Lastwagen müssen sich die Deportierten zu einem Gruppenbild aufstellen. Sie tragen ihr Handgepäck und zusätzliche Winterbekleidung bei sich. Das Bild wurde am Sammelpunkt im Coesfelder Schlosspark aufgenommen, damals in Privatbesitz der fürstlichen Familie Salm-Horstmar.
Bild: Stadtarchiv Coesfeld
Anmerkungen
Personen
19
Das Verfolgungsereignis
Deportation von Coesfeld nach Riga am 10.12.1941
Am Morgen des 10. Dezember 1941 holten Beamte der Ordnungspolizei 19 jüdische Coesfelder:innen, die für die NS-Behörden als „transport- und arbeitsfähig“ galten, vom Haus des Händlers Salomon Eichenwald ab. Dort hatten die Menschen zwangsweise in beengten Verhältnissen gelebt, teilweise bereits seit den Novemberpogromen 1938. Die Jüdinnen und Juden wurden in den für die Öffentlichkeit unzugänglichen Schlosspark der fürstlichen Familie Salm-Horstmar gebracht, wo sie fotografiert wurden und einen LKW besteigen mussten. Dieser brachte sie in den „Gertrudenhof“, das Sammellager in Münster. Nach der erniedrigenden Leibesvisitation und der Gepäckkontrolle verbrachten die Coesfelder:innen mit Hunderten weiteren Deportierten aus dem Münsterland drei Tage und Nächte auf Stühlen oder auf dem Boden im „Gertrudenhof“. Am 13. Dezember 1941 wurden sie mit rund 1.000 weiteren Menschen über Osnabrück und Bielefeld nach Riga deportiert. Dort mussten sie vom Bahnhof Skirotava ins Ghetto laufen. Die vorherigen Bewohner:innen waren kurz zuvor ermordet worden. Von den 19 Coesfelder Deportierten überlebte nur eine Person die Shoah.
Über die Bildserie
Von der Deportation aus Coesfeld am 10. Dezember 1941 sind zwei Fotos bekannt. Sie wurden kurz nacheinander, vermutlich innerhalb weniger Sekunden, aufgenommen und zeigen die Verfolgten im Coesfelder Schlosspark. Sie mussten sich vor dem Abtransport per LKW für ein Gruppenbild aufstellen. Die überlieferten Bilder liegen in unterschiedlicher Form vor: eines als Glasnegativ, das andere als ein nach 1945 angefertigter Abzug.
Möglicherweise wurden die Fotografien mit unterschiedlichen Fotosystemen angefertigt. Die Beschädigungen am ersten Bild sprechen für die Nutzung eines Glasnegativs. Das zweite Bild weist keine derartigen Spuren auf und ist insgesamt kontrastärmer, was auf einen Rollfilm hindeuten könnte.
Durch ein Gerichtsverfahren verfügte die einzige Überlebende der Fotografierten Wilhelmine Süßkind, dass die Bilder nur zu nicht-kommerziellen Bildungs- und Forschungszwecken reproduziert werden dürfen.
Fotograf:in
Anton Walterbusch, Fotograf
Anton Walterbusch kam 1899 als eines von acht Kindern in einer Bauernfamilie zur Welt. Er erlernte sein Handwerk unter der Leitung der Familie Roth im Atelier des 1887 verstorbenen Münsteraner Fotografen Friedrich Hundt. 1927 zog er nach Coesfeld und gründete dort ein eigenes Fotostudio. Er heiratete im Jahr 1940. Walterbusch nahm als Obermeister der Fotografenzunft eine wichtige Rolle bei der Ausbildung zukünftiger Fotograf:innen der Region ein. Er besaß eine Presselizenz, fotografierte während des Kriegs vielfach in behördlichem Auftrag und fertigte unter anderem detaillierte Aufnahmen der Kriegsschäden an. Im Dezember 1941 beauftragte ihn die Ortsparteileitung der NSDAP, die Deportation der Coesfelder jüdischen Bevölkerung zu dokumentieren. Der kinderlose Anton Walterbusch übergab sein Geschäft vor seinem Tod im Jahr 1971 an seine Meisterschülerin Toni Reckers.
Überlieferung
Die zwei bekannten Fotografien aus der Coesfelder Serie werden an verschiedenen Orten verwahrt. Ein Bild liegt im Nachlass des Fotografen Anton Walterbusch im Stadtarchiv Coesfeld als originales Glasnegativ vor. In den 1980er Jahren wurde es zudem als Dianegativ kopiert und in der Coesfelder Denkmalbehörde aufbewahrt. Das zweite Bild ist Bestandteil der Aron Lutwak Collection des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), die Überlieferungsgeschichte wurde nicht dokumentiert.
Von dem Glasnegativ Walterbuschs liegen zudem zwei Abzüge in US-amerikanischen Archiven. Einer gelangte über den Nachlass des Coesfelder Überlebenden Fred Hertz in das USHMM, der zweite wurde nach dem Krieg von der aus Münster nach New York geflüchteten Rosa Hertz an das YIVO Institute for Jewish Research übergeben.
Signatur bei der besitzenden Entität:
ohne Signatur
Bezeichnung des Bildes bei der besitzenden Entität:
ohne Titel
Danksagung
Für die Unterstützung bei der Recherche und die freundliche Hilfe danken wir dem Stadtmuseum Coesfeld sowie Norbert Damberg vom Stadtarchiv Coesfeld.
Text und Recherche: Lisa Paduch.
Kooperationsverbund #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen Dr. Alina Bothe Projektleiterin
c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de
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