Würzburg

April 1942

Drei Frauen warten neben ihrem Gepäck in der Sammelstelle Platz'scher Garten. Die Bäume sind mit Leuchtfarbe bemalt, da wegen der Bombenangriffe nachts keine Beleuchtung eingeschaltet werden durfte.

Bild: Staatsarchiv Würzburg

Anmerkungen

Würzburg, April 1942

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Würz­burg nach Kraś­niczyn am 25.04.1942

Als Sammelstelle bei der dritten Deportation von 852 Jüdinnen und Juden aus dem Regierungsbezirk Unterfranken diente das Gartenlokal Platz'scher Garten am Friedrich-Ebert-Ring 2-3. Gemäß Rechnung zahlte die Gestapo der Besitzerin 1.663,69 RM Miete für die Nutzung der Gaststätte. Die zu deportierenden Menschen mussten sich ab dem 22. April 1942 bei der Sammelstelle melden, dort fand die Durchschleusung inklusive körperlicher Durchsuchung statt. Am 25. April erfolgte tagsüber der Zwangsmarsch zum Würzburger Hauptbahnhof, der Zug DA 49 verließ Würzburg um 15.20 Uhr, in Bamberg und anderen Orten mussten weitere Personen zusteigen. Am 28. April um 8.45 Uhr morgens erreichte der Zug Krasnystaw bei Lublin, hiernach mussten die Verfolgten bis Kraśniczyn laufen. Die jüdischen Einwohner:innen des Orts waren am Tag zuvor ermordet worden. Höchstwahrscheinlich wurden die über Würzburg Deportierten am 6. Juni 1942 nach Sobibor verbracht und dort ermordet.

Über die Bild­se­rie

Die Bildserie besteht aus mindestens 59 Aufnahmen, die im Format zwischen 6 – 7,1 x 9,1 – 10,1 cm vorliegen. Da die Bilder auf Aktendeckeln aufgeklebt als Album überliefert sind, liegen keine Aufnahmen der Rückseiten vor. Das Album umfasst Aufnahmen von insgesamt drei von der Gestapo-Außenstelle Würzburg durchgeführten Deportationen. Die Fotos vom April 1942 aus Würzburg sind mit handschriftlichen antisemitischen Kommentaren versehen. Die Bildserie zeigt detailliert den Ablauf der Deportation: die Ankunft an der Sammelstelle Platz'scher Garten, die Durchschleusung, das Warten und den Zwangsmarsch durch die Stadt zum Hauptbahnhof Würzburg. Die Serie ist teilweise im Staatsarchiv Würzburg und im United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) überliefert. Die Reihenfolge der Bilder kann nicht sicher rekonstruiert werden.

Fotograf:in

Her­mann Otto, Kri­mi­nal­obe­r­as­sis­tent

Auf Weisung des Nürnberger Polizeipräsidenten Dr. Martin hielt Kriminaloberassistent Hermann Otto die Deportationen im Zuständigkeitsbereich der Gestapo Würzburg ausführlich fotografisch fest. Obwohl auch Kriminaloberassistent Balthasar Lutz zur Anfertigung der Fotos abgestellt wurde, fotografierte nur Hermann Otto.

Hermann Otto, geboren 1896 in Würzburg, war gelernter Steinbildhauer. Er meldete sich 1914 freiwillig zum Militär und trat 1922 in den Dienst der bayerischen Landespolizei. Seit 1938 war er für die Würzburger Gestapo tätig. Ab Sommer 1942 wurde Hermann Otto in das besetzte Osteuropa abgeordnet, zuletzt war er bei der Sicherheitspolizei in Weißrussland. Seit dem 27. Juni 1944 galt er als vermisst. In einem Spruchkammerverfahren wurde er 1948 als „Mitläufer“ eingestuft.

Überlieferung

Die Serie gehört zu einem von der Gestapo Würzburg angefertigten Fotoalbum, das die Deportationen aus Würzburg und Kitzingen im November 1941, März 1942 und April 1942 zeigt. Nach der Entdeckung durch den ursprünglich aus Nürnberg stammenden US-Soldaten Isaac Wahler wurde das Album als Beweismittel im Nürnberger Prozess und im Eichmann-Prozess verwendet. Kopien einzelner Fotos und des gesamten Albums sind in verschiedenen Archiven überliefert. Der Verbleib des Originalalbums war für Jahrzehnte unklar, bis es die Historikerin Dr. Edith Raim Anfang der 2000er Jahre wiederfand. Von den ursprünglich 28 Aktendeckeln des Albums werden 24 in Würzburg aufbewahrt; wo sich die übrigen vier befinden, ist unklar. 19 Bilder sind Kopien aus dem United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), die auf Isaac Wahler zurückgehen.

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Ge­sta­po 18880a

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Ohne Ti­tel

Danksagung

Die Erschließung basiert auf dem von der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns herausgegebenen Band „Wege in die Vernichtung. Die Deportation der Juden aus Mainfranken 1941 bis 1943“. Für die ausführliche Einsicht in den Bestand 18880a und die Unterstützung des Projekts danken wir dem Staatsarchiv Würzburg herzlich.

Text und Re­cher­che: Ali­na Bo­the.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de