Breslau

21.11.1941

Blick in den Biergarten des „Schießwerders“: Es stehen mehrere Transportfahrzeuge bereit. Im Hintergrund stehen die als Juden und Jüdinnen Verfolgten dicht gedrängt.

Bild:  Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden

Anmerkungen

Breslau, 21.11.1941
Lastkraftwagen/-anhänger
Mitarbeiter der Breslauer Spedition Röhlig & Co.
Gepäck
Pferdefuhrwerk

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Bres­lau nach Kau­nas am 25.11.1941

Anfang November 1941 begannen in Breslau auf Anweisung der Gestapo die Vorbereitungen für die erste Deportation. Zuvor hatte sich der Gestapo-Beamte Alfred Hampel nach Berlin begeben – mit dem Auftrag, Ablauf und Umsetzung der dortigen Deportationen genau zu beobachten und auf Breslau zu übertragen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Hermann Fey war er maßgeblich für die Deportation verantwortlich. In den frühen Morgenstunden des 21. November 1941 begannen Polizeibeamte, etwa 1.000 Personen aus ihren Wohnungen abzuholen und zum Veranstaltungslokal mit Biergarten „Schießwerder“ zu bringen. Nach vier Tagen unter entsetzlichen Bedingungen wurden die Verfolgten am 25. November 1941 zum Bahnhof Odertor geführt. Der Sonderzug „Da 30“ brachte sie nach Kaunas. Noch in der Ankunftsnacht am 29. November 1941 mussten sie bei Eiseskälte sechs Kilometer zur Festungsanlage Fort IX marschieren. Dort wurden alle vom Einsatzkommando 3 der Einsatzgruppe A unter Leitung von Karl Jäger erschossen.

Über die Bild­se­rie

Die Serie besteht aus 12 Originalabzügen im Format 4x6. Vier Fotos zeigen, die sich bei trockenem Wetter mit ihrem Gepäck im Biergarten des „Schießwerders“ sammelnden Juden und Jüdinnen. Auf zwei weiteren ist die Ankunft von Personen auf dem Gelände zu sehen. Vermutlich machte Albert Hadda diese Aufnahmen am 21. November 1941. Er fotografierte aus der Nähe, blickgeschützt durch Fahrzeuge und Gebäude. Auf sechs Fotos ist der Vorplatz bei Schneeregen abgebildet: Gepäck liegt gestapelt oder wird auf Fahrzeuge verladen. Im Bildhintergrund ist eine Menschenansammlung zu erkennen. Fotografiert wurde verdeckt, von der Ladefläche eines Fahrzeugs. Wahrscheinlich entstanden diese Bilder an einem der folgenden Tage und dokumentieren, wie das Gepäck für den Transport zum Bahnhof Odertor verladen wurde.

Fotograf:in

Al­bert Had­da, Ar­chi­tekt

Albert Hadda, geb. 1892 in Cosel, wuchs mit vier Geschwistern in einem religiösen Elternhaus auf. Er studierte in Breslau Architektur u.a. bei Hans Poelzig. Später arbeitete er für Walter Gropius in Berlin. Nach dem Berufsverbot 1934 waren er und seine Brüder Moritz (Architekt) und Siegmund (Arzt) für die jüdische Gemeinde tätig. Schwester Else und Bruder Willy emigrierten. Als Zionist gab Hadda Kurse für Emigrationswillige. Er war geübter Fotograf und behielt – trotz Verbot – seine Kamera. Wiederholt fotografierte er im Geheimen. Durch seine Ehe mit einer Christin entging er der Deportation. Moritz wurde 1941 nach Kaunas, Siegmund 1943 nach Theresienstadt deportiert. 1944 kam Albert ins Arbeitslager Grüntal, floh aber nach Breslau. Er überlebte und emigrierte nach Israel zu den Töchtern.

Überlieferung

Die zwölf Aufnahmen und eine weitere, die das Deportationsgeschehen im April 1942 dokumentiert, sind im Archiv des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden überliefert und 2023 entdeckt worden. Die Originalabzüge lagen in einem Umschlag mit der Aufschrift „Diverses“. Höchstwahrscheinlich sind die 13 Fotos im Spätsommer 1945 mit einer Gruppe Überlebender aus Breslau, darunter Albert Hadda, nach Erfurt gelangt. Wie sie nach Dresden kamen, ist nicht abschließend geklärt. Entweder gab sie Werner Sander dort ab, oder sie kamen infolge der Verlegung des Sitzes des Verbands der Jüdischen Gemeinden in der DDR 1962 nach Dresden. Nach 1950 erhielt  die Gedenkstätte Ghetto Fighters House in Israel sieben Negative, wahrscheinlich abfotografiert von dem Historiker Helmut Eschwege.

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Danksagung

Wir danken Steffen Heidrich, der die Bilder im Archiv des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden gefunden hat und dem Landesverband für die Bereitstellung der Fotos. Außerdem danken wir Katharina Friedla, Maria Luft, Daniel Ljunggren und Tim Buchen für ihre wertvollen Hinweise.

Text und Re­cher­che: Lisa Pa­duch und Ra­mo­na Bräu-Her­get.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de