Breslau

April 1942

Im Haupteingang des Veranstaltungslokals „Schießwerder“ stehen Frauen, sie tragen Rücksäcke geschnürt mit Decken. Zu erkennen sind das Schild der Gaststätte, Werbetafeln ein an der Wand lehnendes Fahrrad und rechts ein Feuermelder.

Bild:  Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden

Anmerkungen

Breslau, April 1942

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Bres­lau nach Iz­bi­ca am 13.04.1942

Am 13. April 1942 fand die zweite Deportation von Juden und Jüdinnen aus Breslau statt. Ziel war das Durchgangsghetto Izbica im Distrikt Lublin. Bereits ab dem 9. April wurden etwa 1000 Personen ins Veranstaltungslokal „Schießwerder“ und in den sogenannten Freundesaal in der Graupenstraße gebracht. Dort verbrachten sie unter unwürdigen Bedingungen drei Tage, bevor sie zum Bahnhof Breslau Odertor gebracht wurden. Der verschlossene Personenzug erreichte nach drei Tagen Izbica. Unterwegs wurden im KZ Lublin/Majdanek junge Männer zur Arbeit direkt aus dem Zug selektiert. Das Durchgangsghetto Izbica war mit über 18.000 Menschen völlig überfüllt, die Lebensbedingungen katastrophal und die Sterberate hoch. Verwandte in Breslau erhielten zunächst noch Postkarten aus Izbica mit der Bitte um Essen und Geld. Im Herbst 1942 wurden die Breslauer:innen mit anderen in die Vernichtungslager Sobibór und Bełżec gebracht und in den Gaskammern ermordet. Es sind nur zwei Überlebende aus dem Transport bekannt.

Über die Bild­se­rie

Die Serie besteht aus einem Originalabzug.  Vermutlich machte Albert Hadda diese Aufnahme zwischen dem 9. und 13. April 1942. Er fotografierte die Ankunft von verfolgten Personen im Sammellager „Schießwerder“, einer großen Gaststätte in der Nähe des Bahnhofs Odertor in Breslau.

Das Bild zeigt vier Personen mit schwerem, typischem Deportationsgepäck. Der Kleidung nach zu urteilen handelt sich um ältere Frauen, allerdings sind sie nur von hinten zu sehen. Im Eingangsbereich der Gaststätte ist eine weitere Person zu erkennen. Neben dem Eingangsbereich sind ein abgestelltes Fahrrad und ein Auto zu erkennen. In der Eingangstür spiegeln sich Bäume, die erkennbar Blätter tragen.

Fotograf:in

Al­bert Had­da, Ar­chi­tekt

Albert Hadda, geb. 1892 in Cosel, wuchs mit vier Geschwistern in einem religiösen Elternhaus auf. Er studierte in Breslau Architektur u.a. bei Hans Poelzig. Später arbeitete er für Walter Gropius in Berlin. Nach dem Berufsverbot 1934 waren er und seine Brüder Moritz (Architekt) und Siegmund (Arzt) für die jüdische Gemeinde tätig. Schwester Else und Bruder Willy emigrierten. Als Zionist gab Hadda Kurse für Emigrationswillige. Er war geübter Fotograf und behielt – trotz Verbot – seine Kamera. Wiederholt fotografierte er im Geheimen. Durch seine Ehe mit einer Christin entging er der Deportation. Moritz wurde 1941 nach Kaunas, Siegmund 1943 nach Theresienstadt deportiert. 1944 kam Albert ins Arbeitslager Grüntal, floh aber nach Breslau. Er überlebte und emigrierte nach Israel zu den Töchtern.

Überlieferung

Das Foto ist gemeinsam mit weiteren zwölf Aufnahmen, die das Deportationsgeschehen im November 1941 dokumentieren im Archiv Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden überliefert. Die Originalabzüge sind in einem Umschlag mit der Beschriftung „Diverses“ aufbewahrt worden. Höchstwahrscheinlich sind die 13 Fotos im Spätsommer 1945 mit einer Gruppe Überlebender aus Breslau, darunter Albert Hadda, zunächst nach Erfurt und dann ins Gemeindearchiv nach Halle gekommen. Als der Vorsitzende nach Dresden wechselte, gingen die Fotos ins dortige Archiv. Nach 1950 gelangten durch Abfotografieren die Negative von sieben Bildern nach Israel in das Archiv der Gedenkstätte Ghetto Fighters House, wahrscheinlich durch den Historiker Helmut Eschwege.

 

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

vorl. B7.1 Bild­ar­chiv, Fo-Dep-Bres-1941

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Danksagung

Wir danken Steffen Heidrich für das Aufspüren der Bilder im Archiv des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden und für die Bereitstellung der Fotos. Außerdem danken wir Katharina Friedla, Maria Luft, Daniel Ljunggren und Tim Buchen für ihre wertvollen Hinweise, die anregenden Fachdiskussionen und die Validierung der Erschließung.

Text und Re­cher­che: Ra­mo­na Bräu-Her­get.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de