Brandenburg an der Havel

13.04.1942

Nahaufnahme von Hans Levy, Willy Levy und Lotte Rosenau. Sie befinden sich auf einem Hof des ehemaligen Zuchthausgeländes in der Neuendorfer Straße in Brandenburg an der Havel. Die maschinengeschriebene Bildunterschrift wurde vermutlich für eine Ausstellung hinzugefügt.

Bild: Stadtarchiv Stadt Brandenburg an der Havel

Anmerkungen

Brandenburg an der Havel, 13.04.1942
Willy Levy
Hans Levy
Lotte Rosenau
Handgepäck
Lagerschuppen des ehemaligen Zuchthauses

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Bran­den­burg an der Ha­vel nach War­schau am 13.04.1942

Am 13. April 1942 deportierte die Potsdamer Staatspolizeistelle 20 Jüdinnen und Juden aus Brandenburg an der Havel. Für die Durchführung war einer Zeugenaussage zufolge Kriminalinspektor Walter Kriesche zuständig. Die Verfolgten mussten sich auf dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses in der Neuendorfer Straße versammeln. Eskortiert von Ordnungspolizisten legten sie mit ihrem Handgepäck die etwa zwei Kilometer lange Strecke zum Bahnhof zu Fuß zurück. In einem Personenwaggon der 3. Klasse wurden sie nach Berlin gebracht, wo die Jüdinnen und Juden aus Brandenburg eine Nacht in der als Sammellager missbrauchten Synagoge Levetzowstraße verbrachten. Am 14. April 1942 mussten sie gemeinsam mit anderen Verfolgten aus dem Kreis Potsdam sowie 65 Personen aus Berlin etwa sieben Kilometer zum Bahnhof Grunewald laufen. Von dort aus wurden sie gemeinsam mit Verfolgten aus Magdeburg mit einem Zug ins Ghetto Warschau verschleppt. Am 16. April 1942 hielt der Vorsitzende des Warschauer Judenrats Adam Czerniaków in seinem Tagebuch fest: „Um 6 Uhr fuhr der Zug mit den Neuankömmlingen aus Deutschland ein. Es sieht nach 1000 Personen aus.“

Über die Bild­se­rie

Die Bildserie aus Brandenburg an der Havel besteht aus acht Aufnahmen. Sie zeigen verschiedene Szenen: das Sammeln der Verfolgten und ihre Registrierung auf dem Hof der Gestapo-Stelle, den erzwungenen Fußmarsch durch die Stadt und das Besteigen des Zugs am Brandenburger Bahnhof. Alle Abzüge sind auf den Vorder- und/oder Rückseiten beschriftet. Die zwei am Bahnsteig aufgenommenen Fotografien liegen zudem als leicht vergrößerte Duplikate vor. Möglicherweise wurden sie für eine Ausstellung oder einen Bericht angefertigt.

Fotograf:in

Wal­ter Krie­sche, Kri­mi­nal­in­spek­tor

Walter Kriesche wurde am 7. April 1882 in Cottbus geboren. Er wurde Polizist und zog nach Brandenburg an der Havel, wo er 1923 Frieda Müller heiratete. Als überzeugtes NSDAP-Mitglied und Protegé des Brandenburger Oberbürgermeisters Wilhelm Sievers stieg er in der NS-Zeit vom einfachen Polizeibeamten zum Leiter der politischen Abteilung der Brandenburger Kriminalpolizei auf – ohne Prüfungen oder speziellen Ausbildungen abzulegen.

In dieser Funktion war Walter Kriesche vermutlich für die Deportation am 13. April 1942 verantwortlich. Zeitzeug:innenberichte beschreiben ihn als brutal und auch von sexuellen Übergriffen gegenüber Zwangsarbeiterinnen ist die Rede. Walter Kriesche erschoss sich am 4. Mai 1945 kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee.

Überlieferung

Kriminalinspektor Walter Kriesche nahm die Fotos von der Deportation der Jüdinnen und Juden im Auftrag des Brandenburger Bürgermeisters Wilhelm Sievers auf. Zehn Abzüge, darunter zwei Duplikate, sind im Stadtarchiv Brandenburg überliefert. Vermutlich nach Kriegsende hielt jemand die Namen der Verfolgten auf den Bildern fest; diese Person kannte die Jüdische Gemeinde offenbar gut. Womöglich wurden die Bilder zeitweise von einer:m Überlebenden aufbewahrt. Die rückseitige Beschriftung legt nahe, dass zumindest ein Teil der Fotos zu Ausstellungszwecken genutzt wurde. Der Verbleib der Negative ist unklar.

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

L.1.-61/11

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

ohne Ti­tel

Danksagung

Wir danken dem Stadtarchiv der Stadt Brandenburg an der Havel für die gute Zusammenarbeit und dem Stadtmuseum für das Teilen von Informationen. Ein herzlicher Dank geht außerdem an Maximilian Vogel von der Gedenkstätte NS-Euthanasie für die Hilfe bei der Rekonstruktion der genauen Bildstandorte.

Text und Re­cher­che: Akim Jah, Lisa Pa­duch und Ali­na Bo­the.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de