Asperg

Mai 1940

Bewacht von einem bewaffneten Polizisten stehen Menschen im Innenhof der Festung Hohenasperg. Das Foto könnte die Aufstellung vor dem Abmarsch zum Zug zeigen; das Bild kann aber nicht eindeutig in den zeitlichen Ablauf zwischen Verhaftung und Abtransport eingeordnet werden.

Bild: Bundesarchiv

Anmerkungen

Asperg, Mai 1940

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Asperg nach Jędrze­jów im Mai 1940

Die Verhaftungen begannen am frühen Morgen des 16. Mai 1940: In Mainz, Worms und Ingelheim wurden als Sinti:zze und Rom:nja verfolgte Menschen verhaftet und mit einem Sonderzug nach Hohenasperg gebracht. Dort untersuchten Mitarbeiter:innen der sogenannten Rassenhygienischen Forschungsstelle die Menschen – und entschieden maßgeblich über ihre Deportation. Den Menschen wurden Ausweise abgenommen, sie wurden fotografiert. Wie ein detaillierter Bericht der Kripo Darmstadt belegt, verzögerten aus Sicht der Polizei die rassenbiologischen Untersuchungen und fehlende ortspolizeiliche Listen den Ablauf; daher dauerte die Internierung drei Tage länger als vorgesehen. Erst am 22. Mai 1940 wurden die Menschen mit einem Zug nach Jędrzejów im Distrikt Radom deportiert. Von dort aus wurden 490 Verschleppte in Lager und Ghettos gebracht, um Zwangsarbeit zu leisten. Die individuellen Schicksale sind schwer zu rekonstruieren: Viele starben an Hunger, Krankheit oder Misshandlungen; andere ermordeten die Nationalsozialisten gezielt im Rahmen sogenannter Aktionen.

 

 

Über die Bild­se­rie

Aus Asperg liegen 15 Farbdias vor. Sie zeigen den Marsch zum Sammellager in der Festung Hohenasperg, den Aufenthalt im Innenhof sowie die Abfahrt des Zugs – und decken damit die gesamten sechs Tage zwischen Verhaftung und Abtransport ab. Nur die ersten und letzten Fotos der Serie sind in die zeitliche Abfolge sicher einzuordnen. Es fällt auf, wie viele Kinder unter den Deportierten waren.

Bei den Bildern handelt es sich ausschließlich um Außenaufnahmen. Von den Verhaftungen, den entwürdigenden „rassenhygienischen“ Untersuchungen und den Abläufen im Sammellager sind keine Fotos erhalten. Wegen der dokumentarischen und bürokratischen Bildsprache und weil der Fotograf mehrfach die mit Gewehren bewaffneten Polizisten besonders hervorhob, ist denkbar, dass die Fotos eine Ergänzung des Berichts der verantwortlichen Kriminalpolizei Darmstadt über die Deportation waren.

Fotograf:in

Un­be­kannt , Po­li­zist

Die Bilder stammen mit großer Sicherheit von einem tatbeteiligten Polizisten. Wie der Bericht der Polizei Darmstadt sollen sie den Anschein erwecken, dass die Deportation „ordnungsgemäß“ abgelaufen ist. Sie spiegeln nicht die Sicht der Verfolgten wieder und zeigen beispielsweise nicht die entwürdigenden medizinischen Untersuchungen im Kontext der sogenannten rassenbiologischen Gutachten.

Überlieferung

Die Fotos sind im Bundesarchiv in Bestand R 165 überliefert, den Akten der „Rassenhygienischen und kriminalbiologischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“. Sie sind Teil eines größeren Bestandes mit vielen weiteren Fotografien. Die Fotos befanden sich im Nachlass von Robert Ritter, dem Leiter dieser für die Verfolgung der Sinti:zze und Rom:nja zentralen Institution. Es ist allerdings schwierig, die Provenienz von Bestand R 165 nachzuvollziehen – auch weil er unvollständig überliefert ist und vor allem die „Gutachten“ der Forschungsstelle verschollen sind oder gezielt vernichtet wurden. Nach 1945 nutzten die Polizei sowie private und universitäre Forscher:innen Teile der Akten weiter. Erst 1981 erzwang die Bürgerrechtsbewegung der Sinti:zze und Rom:nja durch die Besetzung des Archivs der Universität Tübingen die Aufnahme der noch vorhandenen Unterlagen in das Bundesarchiv.

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

R 165 Bild 244, 42 - 57

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Asperg, De­por­ta­ti­on von Sin­ti und Roma

Danksagung

Wir danken Frank Reuter sehr herzlich für die Unterstützung des Projekts. Die kurze Darstellung basiert auf seinen Recherchen. Einschlägig ist darüber hinaus auch die Forschung von Wolfgang Wippermann aus den 1980er Jahren.

Text und Re­cher­che: Mal­te Grün­korn.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de